Die Stärkung der pädagogischen Profession – ein großes Thema für die Bildungsgewerkschaften (ETUCE Workshop in Rom, 26.- 27. April 2018)

Impressionen Kongress

Schule und Bildung  sind beliebte Themen in den Medien und in der Politik Alle wissen, was besser oder anders werden muss. Die Erwartungen an die Lehrer*innen sind groß: Sie sollen Probleme wie soziale Benachteiligung, mangelnde Integration, den Erwerb von Zukunftskompetenzen lösen. Und dies alles in einem europaweit unterfinanzierten Bildungssystem und ohne Rückenwind der Politik und der Öffentlichkeit. Was ein guter Lehrer/eine gute Lehrerin ist, definieren nicht die Expert*innen für das Schulwesen  –   die Lehrer*innen oder ihre Gewerkschaften und Organisationen – , sondern Politiker*innen,  Medien und last but not least die Wirtschaft. Die Lehrkräfte werden als Produzenten des geeigneten „Humankapitals“ gesehen, Bildung wird in  erster Linie unter Verwertungsgesichtspunkten betrachtet.  Hinzu kommt: Bildung soll nicht allzu viel kosten und wird regelmäßig überprüft. Ist der Output an Humankapital nicht zufriedenstellend, sind die Lehrer*innen  schuld: Sie sind schlecht ausgebildet, zu wenig fortgebildet und nicht engagiert genug.

Es ist also an der Zeit, dass die Bildungsgewerkschaften das Heft in die Hand nehmen und mit ihren Mitgliedern definieren, was Lehrer*innen brauchen, um ihre Profession zu stärken, was gute Bildung ist und welche Unterstützung dazu von den Regierungen zu leisten ist. „Professional Needs“ sind ein Thema für den sozialen Dialog zwischen Bildungsgewerkschaften und Regierungen. Wie können Gewerkschaften dazu befähigt werden,  die professionelle Entwicklung und Stärkung der Kolleg*innen einzufordern und mitzugestalten?- Was können die europäischen Bildungsgewerkschaften voneinander in diesem Feld lernen?

Das sind die Themen eines EU-Projektes der Dachorganisation der europäischen Bildungsgewerkschaften ETUCE. An dem Projekt nehmen Gewerkschaften aus ganz Europa teil. Es zeigt sich: Bildungsgewerkschaften, die die Stärkung der Profession und die professionelle Entwicklung in den Fokus nehmen, sind politisch wirksamer.

Der Workshop des Projektes in Rom diente dazu, hierzu Leitlinien zu entwickeln, die den Bildungsgewerkschaften helfen, die professionelle Entwicklung und ihre Förderung (professional needs) wirksam in den sozialen Dialog einzubringen.  Die Erfahrungen, Möglichkeiten und Strukturen der Bildungsgewerkschaften in Europa sind höchst unterschiedlich: Es gibt Bildungsgewerkschaften ,z.B. in Schottland, die sehr erfolgreich Einfluss auf die Professionalisierung nehmen, aber auch Gewerkschaften, die nicht gehört werden (Türkei, Polen). Wenn Lehrer*innenbildung auf ideologischer Grundlage top down bestimmt wird, dann ist das schlecht für alle. Denn eines ist allen klar: Lernen ist ein sozialer Prozess, der in einer „lernenden“ Gemeinschaft aus Schüler*inne, Lehrer*innen, Eltern und allen, die zur Schulgemeinschaft gehören, stattfindet. Es  gibt keine Trennung zwischen der professionellen Stärkung der Lehrkräfte und dem erfolgreichen Lernen der Kinder und Jugendlichen. Es gibt keine gute Bildung, ohne dass die Bedürfnisse aller in der Lerngemeinschaft beachtet werden. In einer guten Schule ist das Lernen keine Einbahnstraße von den Lehrenden zu den Lernenden, sondern alle lernen voneinander.IMG_E1953

Deshalb sind die Bildungsgewerkschaften aufgerufen, die Profession der Lehrkräfte in diesem Sinne zu stärken und den Pädagog*innen zu helfen, ein starkes  Berufsethos zu entwickeln, das den Kampf für bessere Lern- und Arbeitsbedingungen einschließt.

 

 

 

Fotos: Agnes Roman, ETUCE

Russischer Kongress „Weiterbildung von Lehrkräften“ – Kaliningrad, 25. -28. März 2018

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Vom 25. bis zum 28. März 2018 fand in Kaliningrad ein gesamtrussischer Kongress zur professionellen Entwicklung der Lehrkräfte statt. Eingeladen waren FortbildnerInnen, LeiterInnen von Pädagogischen Hochschulen und MentorInnen aus der gesamten Russischen Föderation.  Veranstaltet wurde der Kongress gemeinsam von der russischen Bildungsgewerkschaft ESEUR,  dem Bildungsministerium der Russischen Föderation sowie den lokalen RepräsentantInnen aus dem Bildungsbereich. Als ImpuslgeberInnen waren auch VertreterInnen der Bildungsinternationale eingeladen: Alex Schneider und Nahum Nahum von  der israelischen Bildungsgewerkschaft, Mike Thiruman, der Generalsekretär der Bildungsgewerkschaft Singapur, Petri Kääriänen von der finnischen Bildungsgewerkschaft OAJ und ich für die GEW. Die internationalen Gäste hielten im Eröffnungsplenum jeweils einen Vortrag zu den Herausforderungen der  LehrerInnenfortbildung und der Rolle, die den Gewerkschaften in diesem Zusammenhang zukommt.

Hier eine kleine Diashow mit Eindrücken von der Reise:

 

 

Bild: Copyright Nahum Nahum: Drei russische Grundschüler bei einer Simulation einer Marsexpedition mit Hilfe computergesteuerter Legomodelle.

Quo vadis Gymnasium?

Gymnasialtag der GEW Mecklenburg Vorpommern am 2. April 2016

12938292_845697572220013_4197452356051810789_nAm 2. April fand im schönen Rostock der erste Gymnasialtag der GEW Mecklenburg-Vorpommern statt: Eine gut organisierte Tagung in angenehmer Umgebung. Die KollegInnen diskutierten engagiert über Rahmenbedingungen und die Weiterentwicklung der gymnasialen Bildung.

Die Entstehung des Gymnasiums im 19.Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen den Emazipationsbestrebungen des Bürgertums und der weiterhin bestehenden Ständegesellschaft, wirkt bis heute nach. Es ist also Zeit für eine Weiterentwicklung. Deshalb wurde ausgiebig über Abitur im eigenen Takt und Inklusion beraten.

Es hat sehr viel Freude gemacht, mit den kreativen und engagierten Kolleg12670649_845687812220989_503442016425482802_nInnen zu diskutieren. Sie sind bereit, die gymnasiale Bildung weiterzuentwickeln. In meinem Workshop zu „Inklusion und Migration als Herausforderung auch für die Gymnasien?“ war die „Behaltenskultur“ das zentrale Thema: Alle Kinder, die an das Gymnasium kommen, sind dort richtig und werden dort optimal gebildet. Die KollegInnen entwickelten Ideen dazu: Sprachpatensysteme, mehr Projektunterricht, Peer Tutoring, Kollegiale Kooperation; Entwicklung einer Behaltenskultur ….Ein Kollege brachte es auf den Punkt: „Wir müssen nicht mehr, sondern vieles anders machen!“

Allerdings brauchen die Lehrkräfte die Unterstützung der Politik: mehr Freiräume, eine bessere personelle und materielle Ausstattung und Gesetzesänderungen, die mehr Differenzierung und Förderung auch am Gymnasium zulassen!

 

Bilder: GEW Mecklenburg-Vorpommern.www.gew-mv.de

International Summit on the Teaching Profession (ISTP) – 2.-4. März in Berlin

Der sechste ISTP  fand dieses Mal in Berlin statt. Delegationen aus verschiedenen OECD-Staaten waren der Einladung von Kultusministerkonferenz (KMK), OECD, Bildungsinternationale (EI), GEW und VBE gefolgt. Mehrere Tage wurde gemeinsam über die Weiterentwicklung des Lehrerberufs diskutiert.
Auffallend war, dass das Verhältnis zwischen Bildungsgewerkschaften und Regierung in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich war. In manchen Ländern – etwa in Finnland, Estland, Neuseeland oder der Schweiz – ist es sehr gut und kollegial. In anderen, beispielsweise in Polen, ist es eher angespannt.
Interessant und bereichernd an einem solchen Summit ist natürlich immer der Austausch mit KollegInnen aus anderen Ländern

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Ich habe mich dieses Mal intensiv mit der Delegation aus Singapur ausgetauscht: Bildungsminister, Janil Puthucheary (links), und der Gewerkschaftspräsident, Mike Thiruman (rechts). In diesem Land, das nicht gerade durch Liberalität und Demokratie glänzt, genießen Lehrkräfte weitreichende Freiheiten und das Vertrauen der Regierung. Nur 10 bis 12 Arbeitsstunden der Lehrkraft sind fest für den Klassenunterricht eingeplant. Der Rest kann für Kleingruppenarbeit, Einzelförderung, Eltern-/SchülerInnenberatung, Projekte oder AGs genutzt werden.

Auch unsere polnischen KollegInnen waren da: Dorota Obidniak (links) und Slavomir ISTPpolBroniarz (rechts). Slavomir hielt die aus meiner Sicht beeindruckendste Rede.

Während sich die meisten Wortbeiträge um die Verbesserung der Kompetenzen der Lehrkräfte und die passenden Maßnahmen dazu drehten, betonte Slavomir, dass es gerade in der heutigen Zeit, die von Krieg, Rassismus und der Verantwortungslosigkeit von Regierenden und Wirtschaft in einem globalisierten Neoliberalismus geprägt sei, einer ethischen Verortung des Lehrerberufs bedürfe. Es reiche nicht aus, Bildung als öffentliches Gut zu proklamieren. Denn über die Beschränkung von Zugängen zu bestimmten Bildungsgängen und die Verbreitung bestimmter Ideologien würden so oft unter der Hand einzelne gesellschaftliche Gruppen privilegiert. Wissen und Kompetenzen seien nicht dazu da, den „größten Teil der Torte“ zu ergattern. Stattdessen sollten sie die Einzelnen dazu befähigen, die bestehenden Verhältnisse zu hinterfragen, um eine bessere Welt zu schaffen. Nur in einer demokratischen Gesellschaft gebe es auch demokratische Schulen. Und nur demokratische Schulen stünden für eine humane Bildung. Wenn SchülerInnnen und Lehrkräfte gemeinsam „Flüchtlinge raus“ riefen, laufe etwas falsch im Staat und im Bildungssystem.
Es war die einzige Rede, die in dieser Diskussionsrunde einen längeren Applaus erhielt. Die polnischen Regierungsvertreter saßen ziemlich versteinert daneben.
Ich denke, dass uns Slavomirs Rede in Bezug auf die Entwicklung unserer Profession in Deutschland zu denken geben sollte. Auch wir haben ein Problem mit zunehmendem Rassismus an den Schulen. Wirkungsvoll können diesem nur Lehrkräfte entgegentreten, die ihre Tätigkeit an einem demokratischen und menschenrechtsbasierten Berufsethos ausrichten.

Der ISTP 2015 in Banff

Pressemitteilung von KMK, VBE und GEW

 

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Impressionen von der Didacta 2016

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Auf der diesjährigen Bildungsmesse Didacta war die GEW nicht nur mit zwei eigenen Ständen (Kita und Schule), sondern fast schon mit einer ganzen Bildungslandschaft vertreten.

 

 

Natürlich waren Asyl, Flucht und Vertreibung ein großes Thema. Die GEW hatte hierzu 04_12743701_1067737996618026_4358307993814530615_nzahlreiche Materialien ausliegen. Eine GEW-Arbeitsgruppe hat mittlerweile auch Unterrichtsmaterialien zum Thema „Flucht und Asyl“ ausgearbeitet.Die beiden Damen auf dem Foto sind allerdings nur vor Pegida in die Messehalle geflohen.

Material für die Praxis: Migration, Flucht und Asyl

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Schon seit Längerem setzt sich die GEW mit ihrer Stiftung Fair Childhood für eine Bekämpfung der Kinderarmut und Kinderarbeit und für bessere Bildungsbedingungen in einzelnen Ländern (u.a. in Burkina Faso und Albanien) ein. Susanne Hemmerling und Norbert Müller setzen sich mit viel Enthusiasmus für die gute Sache ein.

Fair Childhood

Ich selbst war auf der Didacta auf zwei Podien im Einsatz. Bei einem Podium ging es um das Thema „Lehrkräfte als Packesel und Einzelkämpfer?“. Die Diskussion hat gezeigt, dass hier in der Tat ein großer Leidensdruck besteht. Viele Lehrkräfte fühlen sich im Alltag oft allein gelassen. Es existiert ein großes Interesse an den unterschiedlichen Formen der Kooperation, sowohl bei der konkreten Unterrichtsvorbereitung als auch beim Austausch über Erziehungsprobleme. Beklagt wurde allerdings, dass die dafür nötigen Teamstrukturen an vielen Schulen nicht implementiert sind.

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Mitgewirkt habe ich auch bei einem Podium, bei dem es um Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ging. Veranstalter war das von Greenpeace initiierte Bündnis Zukunftsbildung, dem die GEW zusammen mit zahlreichen anderen Organisationen und Verbänden angehört. Bei dem Podium ging es darum, für eine strukturelle Verankerung von BNE zu werben. Mir persönlich hat die Diskussion einmal mehr gezeigt, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung nicht als isoliertes Thema betrachtet werden darf, sondern als etwas, das Veränderungen sowohl auf der Ebene der schulischen Inhalte als auch im Bereich der Schulkultur erfordert. Gefreut hat mich das Interesse insbesondere der jungen Leute an dem Thema. Moderiert wurde das Thema von Shari Reeves, die vielen aus der Sendung „Wissen macht Ah“ bekannt ist.IMG_0869

Bündnis Zukunftsbildung

Wolfgang Antritter von der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien (AJuM) war für uns bei dem Podium zum Thema „Wer begleitet unsere Kinder in die digitale Zukunft?“ aktiv. Die AJuM hat zusammen mit dem Vorstandsbereich Schule der GEW im letzten Jahr eine medienpädagogische Tagung organisiert. Hierzu ist seit Kurzem auch eine umfangreiche Broschüre erhältlich.

AJuM

Broschüre: Was bringt das Lernen im Netz?