
Auch dieses Jahr wieder: Toller GEW-Stand. Eigentlich eine ganze GEW-Landschaft! Kompliment an den Landesverband: Die GEW war nicht zu übersehen. Banner, Plakate, Flyer, wo immer man hinsah. Die Reizüberflutung in der Halle war kein Problem, denn die GEW-Fußspuren führten von überallher in die rote Oase zurück. In der Oase: Herzliche Begegnungen mit engagierten KollegInnen, Energieschub durch Kaffee und Kekse, und dann: nächste Runde durch das Didacta-Labyrinth …
Etwas kleiner, aber dafür von echter Lilliput-Gemütlichkeit: der KITA-Stand. Die Pezzi-Sessel tun dem didactageplagten Rücken gut. Da lacht auch das Grundschullehrerinnen-Herz! Wichtiges Thema in diesem Jahr natürlich: das Gute-Kita-Gesetz – das wir gar nicht so gut finden. Ein schöner Name schafft noch keine besseren Arbeitsbedingungen. Deshalb, Frau Ministerin, bitte merken: In Zukunft erst arbeiten, und dann loben. Kleiner Tipp: Kleine Gruppen sind große Klasse – und: Erzieherinnen verdienen mehr …

Schöne neue digitale Bildungswelt? Die Themen Schulcloud, digitale Schulverwaltung und Lernplattformen waren – wie nicht anders zu erwarten – allgegenwärtig. Der Digitalpakt lässt grüßen. Manches war doch arg „nerd-lastig“. Nicht aber die Roboterecke! Dort hatte ich eine echte Begegnung der „dritten Art“: Ein Roboter von ausgewählter Star-Wars-Höflichkeit fragte mich nach meinen Wünschen. Ich muss gestehen: Mit seinem Charme hätte er mich (fast) um den Finger gewickelt. Immerhin habe ich mir daraufhin die Lernplattformen zum Programmieren für die Grundschule einmal näher angeschaut. Das Spielkind in mir hat sich davon doch stark angesprochen gefühlt. Ich denke, dass das eine wichtige Grundlage für die Computer-„Alphabetisierung“ sein könnte. Als ergänzender Lerninhalt im Sachunterricht kann es sicher seinen Platz in der Grundschule haben.
Link: GEW-Materialien und Positionen zum Themenkomplex Medienbildung und Digitalisierung
Umfassende Medienbildung: Ja, bitte! Einflussnahme der Wirtschaft auf den Unterricht: Nein, danke! Manches, was da glänzt und glitzert, erweist sich bei näherem Hinsehen als trojanisches Pferd. Ich weiß: Angesichts der enormen Fülle von kostenlosen Materialien ist es schwer, den Überblick zu behalten. Das ist mir auf der Didacta auch so gegangen. An vielen Stellen haben Firmen durchaus ansprechende Materialien angeboten. Und zwar nicht nur Firmen aus der Digitalbranche – auch die Müsliwirtschaft bemüht sich nach Kräften, einen Fuß in die Schulküche zu bekommen. Meine Reaktion: einen Müsliriegel eingepfiffen, Material eingesäckelt und alles zu Hause in Ruhe geprüft.
Link: GEW- Privatisierungsreport zu Propaganda und Produktwerbung
Ein Fels in der Brandung: Vera Fricke von der Bundeszentrale für Verbraucherschutz. Als Leiterin des Stabs für Verbraucherbildung hat sie einen Online-Materialkompass mitentwickelt. Der Kompass hält, was der Name verspricht: Er bietet eine echte Orientierung in der Fülle der kostenlosen Unterrichtsmaterialien. Zu etlichen Materialien gibt es Bewertungen (in Form von Sternen) und ausführliche Rezensionen. Die GEW arbeitet mit Vera schon sehr lange zusammen. Ich treffe sie regelmäßig beim Fachforum Schule / Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie ist für mich eine wichtige Ansprechpartnerin für Fragen wie ressourcenschonende Ernährung, nachhaltigen Konsum oder auch den kritischen Umgang mit der Finanzbranche.
Materialkompass der Verbraucherzentrale
A propos ressourcenschonende Ernährung: Interessant war für mich auch der Besuch am Stand der Ärzte gegen Tierversuche. Der Verein gibt Info-Broschüren, aber auch Unterrichtsmaterialien heraus. Wichtigstes Anliegen: Sensibilisierung für die Qualen, die Tiere in Versuchslaboren erleiden. Und zwar größtenteils für völlig zweckfreie Grundlagenforschung! Der Verein informiert darüber hinaus über Alternativen zu Tierversuchen, u.a. zu den Möglichkeiten der Forschung mit Hilfe von Zellkulturen und Computermodellen. Ich war überrascht, wie heiß umstritten das Thema noch immer ist. Mir wurde das bewusst, als ich am Stand Zeuge einer hitzigen Debatte zwischen einem Biologieprofessor und Mitgliedern des Vereins wurde.
Schulseite des Vereins „Ärzte gegen Tierversuche“ mit Materialien
Auch dieses Jahr hat mich die eindringliche Werbung der Bundeswehr nicht zum Dienst an der Waffe bewegen können. Und das, obwohl die Bundeswehr regelmäßig einen der größten Stände auf der Didacta hat! Leider entspricht das der Rolle, die ihr in einigen Bundesländern im Unterricht eingeräumt wird. Ich bin mir da mit Pax Christi, Terre des Hommes und vielen anderen Organisationen einig: Die Bundeswehr hat in der Schule nichts zu suchen – die Rekrutierung von Minderjährigen verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Auf jeden Fall müsste „Waffengleichheit“ herrschen: Die Friedensbewegung müsste im gleichen Maß Zugang zu den Schulen haben. Diesem Ziel dienen auch die Fachforen zur Friedensbildung, die die GEW auch dieses Jahr wieder auf der Didacta veranstaltet hat.
Links zum Thema:
Die GEW zum Thema Bundeswehr und Schule
„Kinder im Visier der Bundeswehr“. Broschüre von Terre des Hommes und GEW
Sonderausgabe des AWO-Magazins „Vielfalt“ zum Thema Friedensbildung
Vor lauter Digitalisierung nicht zu vergessen: der Mensch! Menschen haben Vorurteile, Vorurteile können zu Rassismus führen. Ein wichtiges Thema für eine Einwanderungsgesellschaft, also auch für deutsche Schulen. Auf der Didacta gab es dazu eine eigene Podiumsdiskussion. Dort habe ich Ali Can kennengelernt. Als angehender Lehrer hat er einen Verein für interkulturellen Frieden gegründet und leitet das Vilefalt- und Respektzentrum in Essen, das ein Ort der Begegnung, der Erfahrung und des Dialogs sein soll. In der Diskussion kamen insbesondere die oft unreflektierten Vorurteile zur Sprache, die vielfach zu Diskriminierungen (und in der Folge zu Lernunlust) führen. Außerdem bei der Diskussion dabei: Cornelia Gresch vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), die zu Diskriminierungen im Unterricht geforscht hat, sowie eine gewisse Ilka Hoffmann. Alle waren sich einig, dass wir eine unabhängige Anti-Diskriminierungsstelle in jedem Bundesland als Anlaufstelle für Betroffene sowie für fortbildungswillige Schulen bräuchten.
Links zum Thema:
Sendung von Deutschlandfunk Kultur vom 21.02.2019: Das Vielfalt- und Respektzentrum in Essen
Materialien der GEW zu den Themen Antirassismus und Antidiskriminierung
Leider etwas an den Rand gedrängt: die Inklusion. Dabei habe ich auch dieses Jahr wieder festgestellt: Inklusion kann sexy sein. Beste Beispiele: die Powerfrau Eva-Maria Thoms vom Kölner Inklusionsverein Mittendrin und der Inklusionsaktivist Raúl Krauthausen. Letzteren erkennt man nach seiner Aussage an seiner schicken Schirmmütze – obwohl ich persönlich eher seine Schlagfertigkeit bei Diskussionen als Erkennungsmerkmal ansehen würde. Beide hatten das „Vergnügen“, mit dem Inklusionsskeptiker und Präsidenten des Lehrerverbandes, Peter Meidinger, über die schulische Inklusion zu diskutieren. Auf dem Foto ist zu sehen, wie inklusiv Inklusionsbefürworter sind. Eva und Raúl haben auch etwas Werbung für den Film „Kinder der Utopie“ von Hubertus Siegert gemacht. Der Film ist ein Nachfolgeprojekt zu dem Inklusionsfilm „Klassenleben“, der 2007 ein sechstes Schuljahr der Berliner Flämingschule porträtiert hat. In dem neuen Film werden die Kinder von damals als junge Erwachsene gezeigt. Alle haben ihren Platz im Leben gefunden und leben dabei auch heute noch die Vielfalt, die sie in der Schule als Normalität erfahren haben. Am 15. Mai wird der Film in vielen deutschen Kinos im Rahmen eines Aktionstags gezeigt, der auch anschließende Diskussionen beinhaltet.
Infos und Trailer zum Film „ Die Kinder der Utopie“
Website des Vereins Mittendrin e.v.
Homepage von Raúl Aguayo-Krauthausen
Kleiner Tipp zum Thema Verschiedenheit als Normalität: ein entzückendes Video der BBC, in dem jeweils zwei befreundete Kinder zu den Unterschieden zwischen ihnen befragt werden.
Weiterer Link zum Thema:
GEW- Materialien und Positionen zur Inklusion
Regelmäßiger Gast am GEW-Stand: Michael Hüttenberger, der frühere Geschäftsführer der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule. Ich freue mich immer, ihn zu sehen, denn Michael ist ein lebendiger Gegenentwurf zum Vorurteil vom humorlosen Lehrer. Er hat ein beeindruckendes Talent zum Schmieden von Schüttelreimen und Erfinden von Wortspielen, die er mühelos aus dem Ärmel „schüttelt“. Dies verbindet er mit der Kritik an unserem gegliederten Schulsystem, was er auch in einem jetzt neu aufgelegten Buch unter Beweis gestellt hat. Kostprobe:
Lasst uns lautstark demonstrieren,
immer wieder proklamieren
bis zum letzten Wortgefecht:
„Bildung ist ein Menschenrecht!“
Ich kann nur sagen: Dieser Poet spricht mir aus der Seele!