Aufsatz erschienen in: Jungkamp, B.; John-Ohnesorg, M. (Hrsg.): Soziale Herkunft und Bildungserfolg. Friedrich-Ebert-Stiftung. 2016
FES: Soziale Herkunft und Bildungserfolg
Bild: Dominik Woźniak * 1983: Junge
Aufsatz erschienen in: Jungkamp, B.; John-Ohnesorg, M. (Hrsg.): Soziale Herkunft und Bildungserfolg. Friedrich-Ebert-Stiftung. 2016
FES: Soziale Herkunft und Bildungserfolg
Was ist das Ziel von Bildung? – Bei dieser Frage kommen viele Menschen ins Grübeln. Die Antworten derer, denen sofort etwas dazu einfällt, gehen indes oftmals auseinander.
Ein ganz großer Player in Bildungsfragen – zumindest unter den reicheren Industrieländern – ist die OECD. Die OECD definiert Bildungsziele, gibt Hinweise, verfasst umfangreiche Studien. Ihrer Bildungsabteilung, in der mehr als 100 WissenschaftlerInnen beschäftigt sind, haben wir durchaus positive Impulse zu verdanken. So wurde der Glaube an die Sinnhaftigkeit des gegliederten Schulsystems in Deutschland von den diversen Studien der OECD immer wieder erschüttert. Auch die TALIS-Studie, die sich mit den Einschätzungen der Lehrkräfte beschäftigt, liefert wichtige Erkenntnisse zur Arbeitszufriedenheit.
Dennoch beschleicht mich immer wieder Unbehagen, wenn ich den ReferentInnen der OECD zuhöre. Auch wenn sie vermeintlich das Gleiche sagen, meinen sie doch etwas anderes: So wird in einer neuen Studie mit dem Titel „Social emotional Skills“ die Bedeutung sozialen Lernens betont. Während Gewerkschaften und ReformpädagogInnen die Bedeutung sozialen Lernens mit dem Lernen von Toleranz, Demokratie und Frieden begründen, besteht die Bedeutung für die OECD darin, dass das Vorhandensein sozialer Kompetenzen die Produktivität der ArbeitnehmerInnen und damit den Profit steigert. Dementsprechend unterscheiden sich auch die empfohlenen Maßnahmen, um die Sozialkompetenz zu steigern: Während engagierte Lehrkräfte eine entsprechende Schulkultur, Klassenräte und Streitschlichter sowie einen wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander für maßgeblich halten, setzt die OECD auf Tests und Sozialtraining für diejenigen, die im Test versagt haben.
Ähnlich verhält es sich, wenn von Chancengerechtigkeit die Rede ist. Für engagierte Lehrkräfte und Gewerkschaften geht es hierbei um das umfassende Menschenrecht auf Bildung und den Abbau von sozialen Spaltungen. Für die OECD geht es um das Ausschöpfen des Humankapitals. Wenn die Humankapitalhypothese bei der Herstellung von Bildungsgerechtigkeit im Mittelpunkt steht, was ist dann mit dem Bildungsrecht all derjenigen, die aufgrund schwerster Beeinträchtigungen keinen „Mehrwert“ erzielen können? Bedeutet dies nicht in letzter Konsequenz, dass ihnen das Recht auf Bildung abgesprochen wird?
Ist das Ziel von Bildung nicht umfassende gesellschaftliche Teilhabe, Persönlichkeitsentwicklung und Demokratie? – Das mögen politisch aufgeklärte Menschen so sehen. In einem neueren Papier der OECD wird die Schaffung von „well functioning adults“ als Bildungsziel genannt – gut funktionierende Rädchen im Wirtschaftsgetriebe, die nicht unnötig herumgrübeln und flexibel einsetzbar sind. Aber sollten engagierte Lehrerinnen und Lehrer angesichts der verheerenden ökologischen und sozialen Folgen eines reibungslos funktionierenden Kapitalismus nicht eher Sand in das kapitalistische Getriebe streuen?
In den letzten Jahren hat es im Bildungsbereich einige Entwicklungen in Richtung auf kompensatorische, soziale Ungleichheit überwindende Strukturen gegeben. So wurden in mehreren Bundesländern Schulformen etabliert, die in ihrer Organisationsstruktur an die integrierten Gesamtschulen angelehnt sind. Außerdem hat die UN-Behindertenrechtskonvention die Diskussion um Inklusion und damit auch die Debatte über eine Schule für alle neu belebt.
Als gegenläufige Entwicklung hierzu ist die Hochkonjunktur der Förderung so genannter „Hochbegabter“ zu sehen. Das Gerechtigkeitsproblem des deutschen Bildungswesens wird schlicht geleugnet, stattdessen wird unterstellt, dass die durch das Bildungssystem produzierte Benachteiligung nicht mehr sozial unterprivilegierte Kinder, sondern die geistige Elite der „Hochbegabten“ treffe, die unter der angeblichen Gleichmacherei des Bildungssystems litten.
In meinem Text gehe ich auch auf die Irrationalität des Begabungsbegriffs ein:
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