Gemeinsame Tagung der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien (AJuM) der GEW, des Dokumentationszentrums Deutscher Sinti und Roma und der Gesellschaft für Antiziganismusforschung am 3.März 2016
Gestalten und Bilder in Kinderbüchern prägen das Bild von Ethnien und Personengruppen nachhaltig, da sie die kindliche Phantasie in besonderer Weise ansprechen, so Prof. Dr. Wilhelm Solms (Vorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung). Diese Feststellung war Anlass für eine gemeinsame Tagung der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien (AJuM) der GEW, des Dokumentationszentrums Deutscher Sinti und Roma und der Gesellschaft für Antiziganismusforschung.
Besonders interessant war es für mich, Romani Rose, den langjährigen Vorsitzenden des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma, einmal persönlich kennenzulernen und seine Gedanken und Ansichten zum Thema zu hören. Er musste immer wieder erfahren, dass bei allen Diskussionen über den Holocaust oder auch über Diskriminierungen die Sinti und Roma übergangen werden. Dabei sei das Grundgesetz eine wunderbare Grundlage für eine diskriminierungsfreie, demokratische Gesellschaft. Man müsse es nur ernst nehmen und gewissenhaft umsetzen. Die Diskriminierung von Sinti und Roma sei indes so gravierend, dass nicht wenige ihre ethnische Zugehörigkeit verleugneten.
Dies passt zu einer Anekdote, die Ute Wolters von der AJuM erzählte: Ein erst kürzlich prämiertes Jugendbuch (Kevin Brooks: The Road oft he Dead) enthält negative und klischeehafte Stereotypen über Roma. In einem Interview darauf angesprochen, bemerkte der Autor, Roma seien die einzige Ethnie, die man in einem Buch noch negativ darstellen dürfe, ohne dass man als politisch inkorrekt gebrandmarkt würde.
Auch Wolfdietrich Schnurres beliebtes und in den Schulen viel gelesene Geschichte „Jöno war mein Freund“ wartet mit den üblichen Klischees des raffinierten, ungewaschenen und stehlenden Zigeunerjungen auf. Dies konterkariert auch die kritische Intention des Buches (Jönos Familie wird am Ende nach Ausschwitz deportiert). Prof. Solms las in seinem interessanten Vortrag über Antiziganismus aus einer Lehrerhandreichung vor: Der Roman beschönige nichts und zeichne ein realistisches Bild der Roma. Die Kunst des Lehrers bestehe nun darin, Mitgefühl bei den Schülern für Jönos Familie zu wecken, auch wenn diese eine typische Roma-Familie sei.
Diese Beispiele zeigen einmal mehr, wie notwendig es ist, gerade in Bezug auf Sinti und Roma gegen Stereotypien zu kämpfen. Alle waren sich einig, dass reine Sprachkosmetik und die Änderung von Begriffen in Kinderbüchern absolut nichts bringen, da sie nichts an den verinnerlichten Bildern ändern.
Auch die Musikerin Dotschy Reinhard, die im Rahmen der Tagung auftrat, sprengt die üblichen Klischees, indem sie sich nicht auf die übliche „Gypsie-Musik“ reduzieren lässt. Sie ist vielmehr in verschiedenen Genres, u.a. im Jazz, unterwegs. Dotschy Reinhardt ist stolz, eine Sintezza zu sein, möchte aber nicht in ein Stereotyp gepresst werden. Für mich ist sie eine großartige Musikerin, die rausfällt aus dem oft recht langweiligen Mainstream.
Dotschy Reinhardt: Girls like me