Die Band The Tap Tap aus Tschechien: Inklusion durch Musik

The Tap Tap

Im Februar 2017 wurde in Hamburg der Inklusionsaktivist Michel Arriens aus dem Bus geworfen. Angeblich stellte der Elektroscooter, den er aufgrund seiner Kleinwüchsigkeit benötigt, ein Sicherheitsrisiko dar. Erst nach massiven öffentlichen Protesten in den sozialen Medien fanden die Hamburger Verkehrsbetriebe plötzlich doch eine Lösung für das Problem.

Ein in Tschechien sehr erfolgreicher Song widmet sich in ironischer Weise einer ähnlichen Problematik. Er stammt von der Band The Tap Tap, die sich ausschließlich aus Menschen mit Handicaps zusammensetzt. Die Band wurde 1998 auf Anregung des Sozialarbeiters Šimon Ornest ins Leben gerufen. Von Anfang ging es darum, die befreiende Wirkung des eigenen Musizierens mit gesellschaftlichem Engagement für die Sache der Inklusion zu verbinden. Dies zeigte sich auch auf dem ersten Album, das die Gruppe 2010 herausbrachte (Párty na kolečkách – ‚Party auf Rädern‘). Darauf findet sich u.a. ein beeindruckendes Remake des Songs Rehab von Amy Winehouse.

2011 veröffentlichte die Band den Song Řiditel autobusu, der es im Netz auf rund 10 Millionen Clicks gebracht hat. Im Mittelpunkt des Liedes steht ein Mensch, der im Alltag auf eine Gehhilfe angewiesen ist. Da diese Person im Video zu dem Song mit einem Mitglied der Band (Marek Valenta) identifiziert wird, darf man wohl davon ausgehen, dass darin auch eigene Erfahrungen verarbeitet werden.

In Song und Videoclip hat der Protagonist seinen Rollstuhl in ein Spezialfahrrad umgewandelt, das ihm die Fortbewegung erleichtert. Als er damit jedoch in einen Bus einsteigen möchte, verweigert der Busfahrer ihm den Zutritt: Diese Gehhilfe sei in Wahrheit ein Fahrrad, Fahrräder seien aber von der Beförderung ausgeschlossen. (Passend zu dem Song bezeichnet der Bandname in Haiti die als öffentliche Verkehrsmittel benutzten, meist bunt bemalten Pick-ups und Kleinbusse.)

Der Song besteht im Kern aus dem Dialog, der sich in der Folge zwischen dem Busfahrer und dem abgewiesenen Fahrgast entfaltet. Während Letzterer rein sachlogisch argumentiert und auch die Beförderungsbedingungen – die Fahrräder für zulässig erklären, wenn sie wie eine Gehhilfe benutzt werden – auf seiner Seite hat, beharrt der Fahrer darauf, in seinem Bus selbst über die Zulassung und den Ausschluss von Passagieren zu entscheiden.

Im Videoclip träumt der Busfahrer sich dabei in die Rolle eines Popstars oder eines paramilitärischen Verteidigers der Ordnung hinein. Dadurch wird deutlich, dass es ihm letztlich gar nicht um die Einhaltung der Regeln, sondern vor allem um die Auskostung seiner Macht geht – weshalb er auch nicht als Busfahrer (řidič autobusu), sondern als Chef bzw. „Führer“ des Busses (řiditel autobusu) charakterisiert wird. So zeichnet der Song in ihm ein karikatureskes Psychogramm jener kleingeistigen Bürokraten, denen die Einhaltung abstrakter Regeln und Vorschriften wichtiger ist als die gelebte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft.

Links:

Videoclip: The Tap Tap – Řiditel autobusu

(Song aus: The Tap Tap v Opeře – Mikulášská, 2011)

 

Videoclip mit englischen Untertitel

Liedtext

Weitere Songs von The Tap Tap auf bandzone.cz (Rehab: Párty na kolečkách, Nr. 02)

Band-Infos:

The Tap Tap Orchestra; Video von TRT World, englisch; Showcase, 11. Juli 2017.

Zimmermann, Marco: The Tap Tap – Lebensfreude für Musiker und Publikum; Radio Praha (auf  Deutsch), 20. Januar 2013.

Übersetzung (Dieter Hoffmann):

Der Bus-Führer

Mein neuer Rollstuhl ist so schnell wie der Wind und so stark wie ein Stier,
mit ihm fühlt sich die Welt wie ein ewiger Grillabend an,
ich habe wieder neuen Schwung, ich fühle mich, als wäre ich mindestens 1,60 Meter groß
und bin ganz im Reinen mit mir.

Das ist doch kein Rollstuhl, Bürschlein, das ist ein verdammter Fake!
Das ist ein Fahrrad, und Fahrräder sind im Bus nicht erlaubt.
Wer ein Fahrrad hat, muss draußen bleiben,
also tschüss und auf Wiedersehen!
 
Ich bin der Bus-Führer,
hier gelten meine Regeln und meine Gesetze.
 
Du bist der Führer in diesem Bus,
einem Bus, der in Richtung der Station „Ärger“ fährt.

Fahrräder sind hier nicht erlaubt, hier steht’s schwarz auf weiß,
zwing mich nicht, deutlicher zu werden!
Wenn du nicht gleich verschwindest,
kannst du dich auf was gefasst machen,
Querulanten wie dich werde ich hier nicht dulden!
 
Nur weil meine Schuhe kleiner sind als deine, habe ich nicht weniger Rechte als du!
Also denk mal drüber nach:
Nur weil irgendwo etwas schwarz auf weiß steht, ist die Realität noch lange nicht schwarz und weiß.
Was für dich wie ein Fahrrad aussieht, ist für mich eine Fortbewegungshilfe!

Du bist der Führer in diesem Bus,
aber die Welt besteht nicht nur aus Busspuren!

Ich bin der Bus-Führer,
komm mir nicht mit deinem verdammten Fahrrad in die Quere!
Fahrrad bleibt Fahrrad,
daran ist nichts zu ändern.
Dummkopf bleibt Dummkopf –
manche haben kurze Beine, manche sind etwas schwer von Begriff.
Fahrrad bleibt Fahrrad,
deine Argumente sind völlig aus der Luft gegriffen.
Dummkopf bleibt Dummkopf  –
wer sich auf das Regelwerk beruft, sollte es besser selbst genauer lesen!
 
Beförderungsbedingungen, Artikel 6, Paragraph 15:

Andere Fortbewegungshilfen werden wie Rollstühle behandelt, wenn sie diesen in Größe und Gewicht entsprechen.

Ich möchte keine vorschnellen Schlüsse ziehen
und ich will auch keinen Streit,
ich fordere nur das ein, was mir zusteht, verstehst du?
Menschen wie ich sind doch keine Märchengestalten,
wir sitzen im selben Boot wie du, also schmeiß uns nicht über Bord!

Wenn ich dich mit deinem Fahrrad hier reinlasse, büße ich meine ganze Autorität ein.
Da könnte ja jeder kommen!
Regeln sind Regeln, das kapiert sogar der dümmste Dorfdepp.
Wenn du eine Ausnahme willst, dann beschwer dich doch bei Schneewittchen, [du Zwerg]!
 

Ich bin der Bus-Führer,
wende dich doch an Gott, wenn du willst.
 
Du bist der Führer in diesem Bus,
und nächstes Mal nimmst du mir wahrscheinlich meinen Stock oder meine Prothese weg!

Ich bin der Bus-Führer,
komm mir nicht mit deinem verdammten Fahrrad in die Quere!
Fahrrad bleibt Fahrrad,
daran ist nichts zu ändern.
Dummkopf bleibt Dummkopf –
manche haben kurze Beine, manche sind etwas schwer von Begriff.
Fahrrad bleibt Fahrrad,
Dummkopf bleibt Dummkopf  –
wer sich auf das Regelwerk beruft, sollte es besser selbst genauer lesen!

Bild: Logo von The Tap Tap

Hinterlasse einen Kommentar